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Betören Lockstoffe auch den Menschen? - Die Zeit 18/1999
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Parfum
mit Sex-Appeal
Betören Lockstoffe auch den Menschen?
Ausflug in eine dufte Wissenschaft
von
Wolfgang Blum
Einfach
unwiderstehlich sein für das andere Geschlecht - wer
wollte das nicht? Parfums sollen es möglich machen.
Glaubt man jedenfalls der einschlägigen Werbung, dann
sollen Duftwässerchen mit menschlichen Sexuallockstoffen
die Attraktivität des jeweiligen Anwenders sprunghaft
erhöhen. Wer würde sich da nicht lustvoll in einen
Selbstversuch stürzen, um es zu überprüfen?
Realm heißt zum Beispiel so ein Sex-Appeal-Parfum,
das aus Kalifornien stammt und seit kurzem auch in
Deutschland erhältlich ist. Im Bekanntenkreis wird
ein erster (wissenschaftlich freilich nichtrepräsentativer)
Test gewagt: Acht Männer werden frisch eingesprüht
und ins Nachtleben geschickt. Und tatsächlich: Manche
berichten begeistert, ihnen seien Frauen verstärkt
um den Hals gefallen. Ein Beweis? Reiner Zufall? Oder
lag es einfach daran, daß die Probanden selbstsicherer
auftraten? Andere Versuchspersonen bemängeln, sie
hätten nur fürchterlich nach dem etwas süßlichen Parfum
gestunken. Und ein Tester mußte erleben, daß die Dame
in der Disco neben ihm sichtlich die Nase rümpfte.
Ein klares Ergebnis brachte der Schnelltest jedenfalls
nicht.
Fangen wir daher von vorne an: Im Tierreich wird das
Sexualleben vielfach durch sogenannte Pheromone geregelt.
Diese Lockstoffe sorgen dafür, daß Männchen und Weibchen
zur rechten Zeit zusammenfinden. So weit, so gut.
Doch wie steht es beim Homo sapiens? In den vergangenen
Jahren haben Wissenschaftler auch beim Menschen mehr
als fünfzig Substanzen mit Pheromoncharakter gefunden
- und einige dieser Stoffe im Labor nachgebaut.
Der Pheromonforscher David Berliner beispielsweise
hatte sein Erweckungserlebnis vor knapp vierzig Jahren.
Damals wollte der junge Anatomieprofessor im Universitätskrankenhaus
von Salt Lake City herausfinden, welche Chemikalien
in der menschlichen Haut stecken. Dazu kratzte er
die Gipsverbände von Skifahrern aus, versetzte die
so gewonnenen Hautzellen mit Lösemitteln und ließ
den Extrakt offen im Labor stehen. Plötzlich, so erzählt
Berliner, sei vieles wie verwandelt gewesen. Während
man vorher einen trockenen Arbeitsstil pflegte, plauderten
die Leute nun fröhlich miteinander. "Die Persönlichkeiten
waren wie ausgewechselt", behauptet Berliner. "Es
war äußerst merkwürdig." Eine Woche später stöpselte
er die Flaschen mit den Hautzellen zu. Sofort sei
die Stimmung wieder gekippt.
"Ich habe damals nicht kapiert, was ich in der Hand
hatte", erinnert sich Berliner. Erst nach 25 Jahren
befaßte er sich wieder mit dem seltsamen Klimawandel
im Labor und fand die Lösung: Pheromone seien damals
den Flaschen entströmt und hätten die Stimmung gehoben.
Von dieser Erkenntnis zur Gründung einer Firma, die
Parfums mit synthetischen menschlichen Pheromonen
herstellte, war es nur ein kleiner Schritt. Während
andere Verkäufer ihre Lockstoffparfums als absolut
unwiderstehlich anpreisen, halten es Berliner und
seine Firma Human Pheromone Sciences bescheidener:
"Wer die Parfums auflegt, fühlt sich entspannter und
zufriedener mit sich selbst und wirkt deswegen attraktiver."
Mit diesem schwer überprüfbaren Versprechen hat sich
Berliner inzwischen eine goldene Nase verdient.
Dabei ist die Grundidee nicht neu. Mit tierischen
Lockstoffen haben die Parfumhersteller ihre Duftwässerchen
schließlich schon immer versetzt - in der stillen
Hoffnung, daß der tierische Sex-Appeal auch beim Menschen
anschlage. Moschus etwa stammt von einer asiatischen
Hirschart. Selbst pflanzliche Stoffe sind oft Nachbildungen
von Insektenlockstoffen, mit denen Blüten ihre Bestäuber
anziehen. Mal wirkt das beim Menschen, mal wirkt es
nicht - und ganz ähnlich ist es auch mit den Pheromonen,
die Homo sapiens eigen sind.
Die Riechweite der Pheromone beträgt wenige Zentimeter
In der höchsten Konzentration kommen solche Lockstoffe,
die der Mensch zwischen der Pubertät und den Wechseljahren
produziert, im Schweiß unter der Achsel vor. Damit
sie wirken, muß man sich allerdings schon sehr nahe
sein. Ihre Reich- oder besser Riechweite beträgt nur
einige Zentimeter. Manche der Substanzen sind nahezu
geruchlos, die Aromen anderer wenig verheißungsvoll.
Androstenon etwa, das vor allem Männer ausscheiden,
riecht nach Urin. Und so etwas soll antörnend wirken?
Evolutionstheoretisch gesehen könnte eine Partnerwahl
über die Nase durchaus sinnvoll sein. Mäuse etwa geben
Pheromonmischungen ab, die ihrem Immunsystem entsprechen.
Die Nager erschnüffeln Geschlechtspartner, deren Immunabwehr
sich möglichst stark von der eigenen unterscheidet.
Manche Forscher behaupten, auch Menschen neigten dazu,
Artgenossen mit ähnlichen Immungenen als Sexualpartner
eher abzulehnen. Sie könnten sich "nicht riechen",
ohne klar sagen zu können, warum. Das klingt logisch
- stellt freilich David Berliners Beobachtung in Frage,
nach der ein Extrakt aus vielen Gipsverbänden bei
allen Personen im Labor Hochgefühle ausgelöst habe.
Eine Antwort auf diesen Widerspruch bleibt die Pheromonforschung
noch schuldig.
Eines hat sie immerhin herausgefunden: Damit Pheromone
wirken, muß man nicht einmal einen besonderen Geruch
bemerken. Denn die Lockstoffe werden nicht nur über
das normale Riechsystem aufgenommen, sondern wahrscheinlich
auch über das Vomeronasalorgan, kurz VNO. Dieses ein
Zentimeter lange Organ auf beiden Seiten der Nasenscheidewand
ist in der Tierwelt schon lange bekannt. Die Erkenntnis,
daß auch Menschen es haben, setzt sich gerade erst
durch. "Hat der Mensch ein 6. Sinnesorgan?" fragte
etwa im vergangenen Jahr eine Pressemeldung der Berliner
Charité. Zwei Professoren des Krankenhauses hatten
das Vomeronasalorgan von 14 Patienten näher untersucht
und fanden die Lehrbuchmeinung widerlegt, das Organ
bilde sich beim Menschen während der embryonalen Entwicklung
zurück. In den USA identifizierten Forscher den sechsten
Sinn bereits in mehr als tausend Nasen.
Das VNO ist über Nerven mit dem Hypothalamus verbunden.
Dieser älteste Teil des Zwischenhirns regelt unter
anderem Atmung, Blutdruck, Schlaf und Geschlechtstrieb.
Die Empfindungen des VNO lösen unwillkürliche Reaktionen
aus - zumindest bei Tieren. Insekten und Säugetiere
warnen sich mit Hilfe von Pheromonen gegenseitig,
markieren ihr Revier und regeln ihr Sexualleben. Eine
winzige Prise im Atem des Ebers bringt die Sau in
Paarungsstellung. Wird auch der Mensch beim richtigen
Quantum Duftstoff erregt?
Der Neurophysiologe Luis Monti-Bloch blies mit einem
ausgeklügelten Apparat Hautextrakt-Proben in das VNO
von Freiwilligen und maß die Nerventätigkeit. Tatsächlich
gab das Organ elektrische Impulse, zum Teil bei Stoffen,
auf welche die Geruchsneuronen nicht ansprachen. Bereits
winzige Mengen genügten, um das VNO zu stimulieren.
Manche Substanzen wirkten hauptsächlich bei Frauen,
andere eher bei Männern. Einige veränderten den Puls,
die Größe der Pupillen, die Hauttemperatur oder die
Aktivität der Großhirnrinde. Selbst die Stimmung der
Probanden schienen sie zu beeinflussen. Tierische
Lockstoffe hingegen schlugen nicht an.
Inzwischen fanden zahlreiche Studien Wirkungen von
Pheromonen auf Menschen. Da wurden zum Beispiel Stühle
im Wartezimmer von Arztpraxen mit den Substanzen eingesprüht.
Und siehe da - weibliche Probanden ließen sich vornehmlich
auf Sitzen nieder, die mit männlichen Duftstoffen
eingenebelt waren. Männer mieden diese eher. Martha
McClintock und Kathleen Stern rieben 29 Frauen gegenseitig
ihre Pheromone unter die Nase. Daraufhin habe sich
deren Zyklus synchronisiert, berichteten die beiden
Psychologinnen von der Universität Chicago vor einem
Jahr im Wissenschaftsmagazin Nature.
Wie Pheromone die Partnerwahl beeinflussen, wollte
Regina Maiworm herausbekommen. Die Psychologin an
der Universität Münster klebte insgesamt 1600 Versuchspersonen
ein Wattebäuschchen unter die Nase, das bei der Hälfte
mit Pheromonen getränkt war. Dann legte sie den Probanden
Fotos von Gesichtern vor, die sie beurteilen sollten.
Sie wies zwar eindeutig den Einfluß der Pheromone
nach. Doch je nach Konzentration der Substanzen -
bereits ab einem hunderttausendstel Gramm - wirkten
diese unterschiedlich. Zum Teil wurden mit dem Duft
unter der Nase die Gesichter auf den Fotos sogar als
weniger attraktiv eingestuft. Bei Frauen gab es zudem
Unterschiede, ob sie zu Beginn oder am Ende ihres
Zyklus waren und ob sie die Pille nahmen. Am meisten
profitierten mittelattraktive Männer von den Pheromonen,
wenn ihre Betrachterinnen eine Konzentration unterhalb
der Wahrnehmungsschwelle eingeatmet hatten.
Die Bedeutung der Duftstoffe für einen Erfolg beim
anderen Geschlecht vergleicht Maiworm so: "Zu einem
guten Abendessen gehört ein guter Rotwein." Sie selbst
benutzt kein Pheromonparfum. Für ein erfolgreiches
Rendezvous hat sie einen anderen Tip parat: "24 Stunden
nach dem Duschen hat der Mann die optimale Konzentration
von körpereigenen Pheromonen auf der Haut."
©
Die Zeit 18/1999 |
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