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Über Pheromone |
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Über Pheromone |
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Sexy Duft für den sechsten Sinn - Focus, 38/1993
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Sexy
Duft für den sechsten Sinn
(Focus,
38/1993)
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Eine
amerikanische Biotechnologie-Firma glaubt das ultimative
Parfüm entdeckt zu haben
Ein leichter Hauch von Blüten, Honig und Vanille
entschwebt dem Fläschchen. Das Parfüm
riecht erfrischend, ist angenehm unaufdringlich.
Doch die Werbebroschüre verspricht mehr: Dieses
Odeur soll „Gefühle in ganz besonderer
Weise steigern".
Ihrer
magischen Mixtur gab
die kalifornische Biotechnologie-Firma Erox den
Namen „Realm". Das „Königreich"
- eines für Männer und eines speziell
für Frauen - erfreut anders als andere Düfte.
Sein Zauber liegt nicht im Wohlgeruch, sondern in
geheimnisvollen Stoffen, die unser normaler Geruchssinn
nicht wahrnehmen kann. Wissenschaftler glauben trotzdem,
daß unsere Nase diese Pheromone gut riechen
kann: mit einem sechsten Sinn.
Pheromone sind im Tierreich weit verbreitet. Biologen
wissen seit langem, daß diese chemischen Substanzen
für die Kommunikation zwischen Tieren derselben
Art sehr wichtig sind.
Mit einem Quentchen Chemie warnen sie ihre Artgenossen
vor Gefahr, festigen soziale Hierarchien und legen
Territorialgrenzen fest. Sie geben diese Moleküle
in die Luft ab, wenn sie besonders vielversprechende
Nahrungsquellen gefunden haben oder: wenn sie bereit
sind für Sex.
Der deutsche Biochemiker Adolph Butenandt erforschte
in den fünfziger Jahren bei der Seidenraupe
erstmals ein Pheromon, das die Lust des Partners
erregt. Heute ist bekannt, daß Sexuallockstoffe
nicht nur bei Insekten, sondern auch bei Säugern
wie Katzen und Hunden weitverbreitet sind.
Spielt
die Chemie
auch in menschlichen Beziehungen eine Rolle? „Zweifelsohne",
meint David Berliner, Gründer von Erox, der
Firma, die „Biotechnologie mit Freude"
verbinden will. Er vermutet, daß jeder Mensch
eine individuelle Kombination an Pheromonen ausschüttet,
die als Erkennungsmerkmal dienen, ähnlich wie
ein Fingerabdruck. So können etwa Kinder ihre
Eltern oder Frau und Mann ihre idealen Partner „riechen".
Berliner ist überzeugt, daß er menschliche
Pheromone gefunden hat, die über die Haut abgegeben
werden. Die Sexuallockstoffe wirken seiner Meinung
nach nicht unbedingt als Aphrodisiakum, versetzen
uns aber in eine „gesellige Stimmung".
Berliner
entdeckte
die Faszinationen der menschlichen Haut vor 30 Jahren,
als er an der University of Utah seinen Studien
nachging. Das umliegende Skiparadies lieferte reichlich
Forschungsmaterial. Berliner kratzte Hautreste aus
alten Gipsen, die sich dank zahlreicher Knochenbrüche
in den umliegenden Kliniken stapelten. Ihm fiel
auf, daß die „Laune im Labor auffallend
harmonisch" war, wenn er sich mit seinen Hautextrakten
beschäftigte. Vor einigen Jahren, nachdem er
zum Millionär im Biotechnologie-Busineß
geworden war, wandte sich Berliner den in Fläschchen
lagernden Hautextrakten erneut zu.
Elf natürliche menschliche Pheromone, meint
er, habe er inzwischen isoliert und im Labor nachsynthetisiert.
Überprüfen läßt sich seine
Behauptung nicht, weil Erox den chemischen Aufbau
der Stoffe bis zu ihrer Patentierung streng geheimhält.
Wenn Pheromone unseren sechsten Sinn ansprechen,
wo befindet sich das zugehörige Sinnesorgan?
„In der Nase", so Berliner, „wie
bei den anderen Säugern." Im Sommer 1991
kam es bei einem Symposium in Paris zu einiger Aufregung
unter den Pheromonforschem. Damals häuften
sich die Indizien, daß erwachsene Menschen
ein intaktes Jacobson-Organ besitzen.
Dieses
Organ
besteht aus winzigen Einbuchtungen (Durchmesser
zwischen 0,2 und 2 Millimeter) auf beiden Seiten
der Nasenscheidewand. Der Däne Jacobson hatte
es im vergangenen Jahrhundert bei Säugetieren
entdeckt. Beim Menschen, dies war die Meinung der
Fachleute, entsteht das Organ zwar im Fötus,
bildet sich aber noch vor der Geburt zurück.
Die Nachricht von einem intakten Jacobson-Organ
bei Erwachsenen war für Berliner und seine
Kollegen „völlig überraschend".
Die Funktion des menschlichen Jacobson-Organs, auch
Vomeronasal-Organ genannt, untersuchte der Neurophysiologe
Luis Monti-Bloch, ein Kollege von Berliner. In einer
Studie mit 49 Versuchspersonen, Männern und
Frauen, schloß Monti-Bloch winzige Elektroden
an Zellen des Jacobson-Organs und an danebenliegende
Geruchssinneszellen an. Dann ließ er die folgenden
Substanzen in die Nase der Testpersonen steigen:
reine Luft, Luft mit Pheromonen angereichert oder
nur Duftstoffe wie Gewürznelkenextrakt.
Das
Ergebnis:
Die Zellen des Jacobson-Organs werden nur durch
die Pheromone aktiviert, Riechzellen nur durch das
Nelkenextrakt. Außerdem stellte Monti-Bloch
fest, daß einige der Pheromone spezifisch
bei Frauen wirken, andere nur bei Männern.
Für Berliner lag der Schluß nahe: „
Es gibt zwei Sinnessysteme in der Nase, die auf
unterschiedliche chemische Substanzen reagieren."
Auch der Physiologe Thomas Getchell (University
of Kentucky) veröffentlichte kürzlich
Beweise, nach denen das Jacobson-Organ beim Menschen
funktionstüchtige Sinneszellen beherbergt.
Nicht
alle Fachkollegen
sind von der Entdeckung des „sechsten Sinns"
in der Nase überzeugt. Gary Beauchamp, Leiter
des Monell Chemical Senses Center in Philadelphia,
meint: „Daß das Organ beim Menschen
existiert, scheint erwiesen." Doch müßte
seine Funktion in unabhängigen Studien geprüft
werden. Außerdem: „Auch wenn die Jacobson-Zellen
durch Pheromone aktiviert werden, wissen wir noch
nicht, wie die Verbindungen zum Gehirn verlaufen."
Larry Stensaas (University of Utah) vermutet, daß
die Sinneszellen des Jacobson-Organs mit dem Hypothalamus
kommunizieren, jener Himregion, die Körpertemperatur,
Lustgefühle und Sexualität steuert. Nachweisen
kann er es jedoch nicht.
Bei Erox will man jedoch nicht warten, bis die letzten
wissenschaftlichen Beweise erbracht sind. „Realm
Women" und „ Realm Men" ist in den
USA letzte Woche auf den Markt gekommen. Das Parfüm
für Sie enthält männliche Pheromone,
das für Ihn weibliche. Die Duftwolke soll die
Träger des Parfüms „sozial öffnen",
sie für „Intimitäten" empfänglich
machen. Es soll die Lebenslust bei einem selbst
und nicht bei den Mitmenschen steigern.
Die
„wunderbare Mischung
aus Düften und Pheromonen" will Berliner
hüten, wie „der Coca-Cola-Konzem seine
Formel für Classic Coke". Zwar enthalten
auch herkömmliche Parfüms bereits Pheromone.
Aber tierische Lockstoffe wie Moschus oder Castoreum
(laut Duden: Bibergeil) sollten eigentlich nur Ochsen
und Biber anmachen.
Silvia Sanides |
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