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Über Pheromone
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Die Botenstoffe der Liebe - Stern, 18/1996

Die Botenstoffe der Liebe
Stern, 18/1996

Von Gerd Schuster

Bei Tieren kennt man sie schon länger - jetzt weiß man, daß auch das Verhalten der Menschen von kaum wahrnehmbaren Substanzen gesteuert wird. Wissenschaftler finden immer neue Beweise, daß diese in der Haut produzierten, meist geruchslosen Pheromone über Lust und Liebe, Sympathie und Sex entscheiden.

Napoleon Bonaparte faßte sich kurz. »Ne te lave pas, je reviens«, schnob er in einer Depesche aus dem Feldlager an Kaiserin Josephine, »Wasch Dich nicht mehr, ich komme bald zurück.« Der geniale Schlachtenlenker besaß offenbar ein untrügliches Gespür dafür, daß bei Liebe und Sex die Nase eine Schlüsselrolle spielt. Jetzt, 200 Jahre später, können Forscher das Verhalten des kleinen Korsen wissenschaftlich erklären: Das Riechorgan erschnüffelt nicht nur betörendes Parfüm oder abstoßenden Körpermief, es kann auch geheimnisvolle Lock- und Botenstoffe orten, die Pheromone.

Sie steuern beim Menschen viele Emotionen, sexuelle Anziehung wie Partnerwahl. Obwohl sie meist geruchlos sind und nur in „winzigsten Spuren durch die Luft schweben, bestimmen sie, wer uns sympathisch ist und wer nicht. Und sie stekken wie unsichtbare Kuppler hinter der Liebe auf den ersten Blick, die strenggenommen »Liebe auf den ersten Riecher« heißen müßte.

Auch an den sprichwörtlichen Frühlingsgefühlen sind die erst in den letzten Jahren entdeckten Botenstoffe beteiligt. Wenn der Winter vorbei ist, Mantel und Mütze eingemottet sind und kein Schnupfen mehr die Nase verstopft, kommt ihre große Zeit. Ungehindert können die geheimen Verführer jetzt aus den Dekolletes entweichen. Ihre volle Wirkung entfalten sie, wenn sie in eine »fremde« Nase wehen und dort auf das »Vomeronasalorgan« treffen. Das nur einen Zentimeter lange und streichholzdünne Sinneswerkzeug, das ein holländischer Militärarzt bereits Anfang des 18. Jahrhunderts beschrieb, haben die Forscher erst vor kurzem wiederentdeckt. Prof. Werner Langthaler, Psychologe an der Universität Münster: »Es ist eine Sensation, daß wir jetzt, schon fast im Jahr 2000, einen neuen menschlichen Sinn aufspüren« .

Ohne das VNO, so die gängige Abkürzung für den Zungenbrecher, läuft auch im Tierreich nichts. Seidenäffchen und Graskarpfen, Blaukrabben und Ameisen verströmen Pheromone zur Markierung von Reviergrenzen, zur Warnung vor Feinden, als chemische »Erkennungsmarke«, als Liebesverlockung, Rangabzeichen und für viele Zwecke mehr. Bienenköniginnen hemmen mit Pheromonen die Geschlechtsreife der Arbeiterinnen und bringen die Drohnen zum Schwärmen.

Während sich ganze Forscherbrigaden mit Tierpheromonen beschäftigen, ist über die menschlichen Lockstoffe bis heute wenig bekannt. Man weiß noch nicht einmal, wie sie produziert werden. Viel spricht jedoch dafür, daß es in der Haut geschieht, dem größten und komplexesten Organ des menschlichen Körpers, das den Wissenschaftlern noch viele Rätsel aufgibt:

Auf einem einzigen Quadratzentimeter drängen sich im Durchschnitt sechs Millionen Zellen, 5000 Sinneskörper, 100 Schweiß- und 15 Talgdrüsen, dazu 200 Schmerzpunkte, zehn bis 25 Druckpunkte, zwölf Kälte- und zwei Wärmepunkte. Vier Meter Nervenfasern und ein Meter Blutgefäße stellen Vernetzung und Versorgung sicher.

Die wichtigsten Pheromon-Fabriken sind die Achselhöhlen. Ihre Schweißdrüsen mischen eine Reihe von Lockstoffen an. Die Substanzen werden beim Transpirieren ausgeschieden und auf der erhitzten Haut verdampft.
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